Statement: Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im BdP

Die Wissenschaftler*innen des IPP haben mehr als fünfzig Betroffene, Zeitzeug*innen und Schlüsselpersonen interviewt und uns die Möglichkeit gegeben, einige der Ergebnisse ihrer Forschung in kleinem Rahmen bereits seit einigen Wochen zu diskutieren. Im Abschlussbericht der Studie des IPP wird der BdP mit seinen Eigenheiten untersucht, es finden sich Analysen zu Risikofaktoren und eine systemische Analyse der Versäumnisse im Umgang mit sexualisierter Gewalt und Betroffenen. Darüber hinaus wurde eine Reihe von Handlungsempfehlungen ausgesprochen. 

All das zeichnet ein umfassendes Bild des Umgangs mit sexualisierter Gewalt im BdP in der Zeit von 1976 bis 2006. Wir sind erschüttert, an wie vielen Stellen es dem BdP in der Vergangenheit nicht gelungen ist, seine Mitglieder vor sexualisierter Gewalt und (Macht-) Missbrauch zu schützen. Es wurde geschwiegen, weggesehen und Täter*innen geschützt. Betroffenen wurde nicht geglaubt und sie und diejenigen die sich mit ihnen solidarisierten, wurden isoliert und ignoriert. Zu lesen, in wie vielen Fällen und an wie vielen Stellen der BdP die Pflicht seine Mitglieder vor Gewalt zu schützen nicht erfüllt hat, ist schmerzhaft. Schmerzhaft, weil wir aufgezeigt bekommen, dass oft genau die Dinge, die uns von anderen Jugendverbänden abheben, die wir für das halten, was den BdP ausmacht, Bedingungen geschaffen haben, die sexualisierte Gewalt möglich gemacht oder ihre Aufdeckung verhindert haben. 

Wir sind all jenen dankbar, die sich dazu bereit erklärt haben, den BdP dabei zu unterstützen besser darin zu werden seine Mitglieder zu schützen. Den Wissenschaftler*innen des IPP, den Stammesführungen, Landesvorständen und Arbeitskreismitgliedern auf allen Ebenen, die sich seit 2016 dafür einsetzen Aufarbeitung im BdP voranzubringen. Und allem voran sind wir den Menschen dankbar, die sich trotz der unvorstellbaren Dinge, die ihnen im BdP widerfahren sind und vor denen wir sie nicht bewahren konnten, gemeldet haben, um ihre Geschichten zu erzählen. Geschichten, die von Gewalt und Missbrauch handeln, an jungen Erwachsenen, an Jugendlichen und an Kindern. Von vergeblichen Versuchen sich im BdP Hilfe zu holen. Von Täter*innen, die geschützt, und Betroffenen, denen nicht geglaubt wurde, deren Leid nicht anerkannt wurde und die vergebens versucht haben sich Gehör zu verschaffen. 

Bei all denen, die die Kraft aufgebracht haben sich zu melden, und auch bei all denen, die uns unbekannt sind, möchten wir aus ganzem Herzen um Entschuldigung bitten. 

Wir können die Gewalt, die den Betroffenen im BdP widerfahren ist, nicht ungeschehen machen, sind aber fest entschlossen uns der Verantwortung zu stellen und aus den Fehlern zu lernen, die gemacht worden sind! Der erste Schritt in der Aufarbeitung ist mit dem Abschluss der Studie des IPP getan, der Prozess ist damit aber noch lange nicht geschafft. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten daran arbeiten, die Ergebnisse im BdP zu verbreiten. Wir müssen und werden ins Gespräch mit allen Ebenen gehen, um gemeinsam sicherer für alle uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen und alle unsere Mitglieder zu werden. 

Neben der Überarbeitung unseres Schutzkonzepts und der Pädagogischen Konzeption gilt es auch viel zu reflektieren - über Macht, unsere demokratischen Prozesse, Anforderungen an Ansprechpersonen und Ausbildungen von Gruppenleitungen, Stammesführungen und Vorständen. Wir müssen uns dessen bewusstwerden, wie wir betroffenengerecht mit Fällen sexualisierter Gewalt umgehen, von denen wir erfahren, mit den Stämmen, in denen sie passieren, den Täter*innen der Gegenwart und mit jenen Täter*innen, deren Taten in der Vergangenheit liegen. 

Zu sehen, wie viele Jugendliche, junge Erwachsene und Mitglieder seit 2006 daran arbeiten Präventionsmaßnahmen in ihren Stämmen und Landesverbänden - kurzum im ganzen Bund - zu etablieren, stimmt uns hoffnungsvoll. Der Bedarf an Maßnahmen, die getroffen werden müssen, ist groß. Genauso groß ist die Chance, die sich uns durch all die Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Aufarbeitung bietet und wir müssen und werden sie ergreifen. Der Umgang mit den Studienergebnissen und die Reflektion unserer Strukturen wird Zeit und Durchhaltevermögen erfordern sowie fachliche Expertise von außen. An einigen Stellen wird es auch viel Mut erfordern sich dem Vergangenen zu stellen. Aber wir wollen dieser Schwierigkeit nicht ausweichen und uns der Verantwortung stellen. Wir sind fest davon überzeugt, dass es uns gemeinsam gelingen kann, den BdP zu einem sichereren Ort für seine Mitglieder zu machen. Wir sind dankbar, dass es schon jetzt so viele unter uns gibt, die sich weiter der Prävention, Intervention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im BdP widmen. 

Wir möchten anerkennen, was die vielen Betroffenen in der Vergangenheit erleben mussten. Wir sind außerdem fest entschlossen in den nächsten Wochen und Monaten gemeinsam mit den Vorständen, Stämmen, Stammesführungen, Arbeitskreisen und allen anderen Mitgliedern ins Gespräch zu kommen. Und wir möchten Pläne schmieden, wie es weiter gehen kann.

 

BdP Bundesvorstand, Immenhausen im Februar 2024